Kolumne „Hin und weg“: Der Lonely Planet für die ganze Welt

Die Reiseführer von Lonely Planet standen einmal für eine andere Art des Unterwegsseins. Nicht für das bildungsbürgerlich-baedekerhafte Reisen, das auch noch den 18. buddhistischen Tempel besichtigt wissen wollte. Und schon gar nicht für schnöden Badeurlaub, wo Touristen mehr als drei Tipps zu den nettesten Wochenmärkten auf Mallorca und den Hauptsehenswürdigkeiten in Palma nicht erwartet haben von einem Reiseführer. Weil sie die meiste Zeit am Strand oder Pool liegen wollen.
Ein Lonely Planet hingegen war das Versprechen von Abenteuer und Individualität. Wobei sich Letzteres nur bedingt eingelöst hat, da sich alle, die damit in Thailand oder Nepal unterwegs waren, ständig in denselben Hostels und Überlandbussen getroffen haben. Trotzdem halfen sie dabei, eigenere Wege zu gehen und an Orte zu gelangen, die keine massentouristischen Ziele waren.

Ein deutscher Urlauber wollte eine antike Säule aus Griechenland schmuggeln. Das ging gründlich schief. Gut so.
Nun aber ist ein Band in der Reihe erschienen, der schlicht „Die Welt“ heißt. Untertitel: „Ein Reiseführer, alle Länder der Erde“. Auf dem Cover braust ein VW Bulli durch eine Landschaft, in der unter anderem der Eiffelturm, die Freiheitsstatue und der Taj Mahal stehen, die Chinesische Mauer, die Gizeh-Pyramiden und eine mongolische Jurte. All das sieht die Bulli-Bagage nur noch im Rückspiegel, längst sind weitere Ziele anvisiert. Wahrscheinlich der Dogenpalast, die Victoria-Fälle und die Golden-Gate-Brücke. Was eben auf einer Tagesetappe zu schaffen ist.
Von Individualität und Abenteuer keine Spur mehr, auch nicht vom Reisen. Der Band propagiert eine Hatz von einem Instagram-Hotspot zum nächsten. Es gibt in ihm auch Vorschläge für zehnwöchige Touren. Durch mindestens jeweils sechs Länder. Das Allertypischste und das Allerüberlaufenste ist gerade gut genug. In Deutschland: Schloss Neuschwanstein, der Kölner Dom, Heidelberg. Nicht einmal Rothenburg hat es in das Buch geschafft. Denn es muss weitergehen, husch, keine Zeit. Andernfalls müsste man noch beginnen, ernsthaftes Interesse aufzubringen. Oder würde gar mit Einheimischen in Kontakt kommen. Was für altmodische Ideen.

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